Der dritte Tag der Schlacht begann. Die persischen Elefanten waren
noch immer ein Problem, und S'ad fragte schließlich zwei
persische Muslime,
wie man ihnen
am besten beikommen könne.
"Stecht ihnen die Augen aus!" rieten sie.
Es gab zwei große Elefanten, die die Herde anführten. Zwei
muslimische Krieger übernahmen es, eines der riesigen Tiere zu erledigen:
Gleichzeitig stachen sie mit ihren Speeren seine beiden Augen aus, dann schlug
ihm einer von beiden den Rüssel ab. Das gleiche geschah mit dem zweiten Riesen.
Wahnsinnig vor Schmerz taumelten beide Elefanten zum Fluss zurück,
und der Rest der Herde folgte den geblendeten Anführern. Von da an wurden die
Elefanten nicht mehr gesehen.
Die Schlacht wütete Tag und Nacht mit unverminderter Heftigkeit.
Im Morgengrauen trieben die
Oberen verschiedener arabischer Stämme ihre Männer mit lauten Rufen zu
einem letzten Vorstoß an. Diese sprangen von ihren Pferden und stürzten sich
mit gezogenem Schwert in die feindlichen Linien. Noch vor Mittag waren sie im
Zentrum der persischen Streitkräfte. Einige von ihnen drangen sogar bis zu
Rustum, dem persischen Befehlshaber, vor. Dieser saß auf seinem goldenen Thron
und leitete von hier aus das Gefecht. Überrascht sprang er herab und kämpfte
vorbildlich, aber schließlich wurde er von dem muslimischen Soldaten Hilal ibn
'Alqama erschlagen. Hilal sprang auf Rustums goldenen Thron und rief aus:
"Beim Herrn der Kaaba, ich habe Rustum erschlagen! "
Rustums Tod besiegelte den Zusammenbruch der persischen Streitkräfte. Die
Standarte Durfasch-i-Kawayani fiel in muslimische Hände. 30.000 Perser wurden
getötet; die Muslime hatten 8000 Gefallene zu beklagen.
`Umar erhält die Siegesnachricht
'Umar (r) bangte sehr dem Ausgang der Schlacht entgegen. Jeden
Morgen ging er einige Kilometer vor Medina hinaus und wartete auf einen Boten
aus Al-Qadisiyya. Eines Tages sah er einen Kamelreiter in der Ferne.
"Woher?" fragte 'Umar, als der Reiter näher gekommen war.
"Von Al-Qadisiyya!" hieß die Antwort, und der
Mann ritt weiter. 'Umar lief neben ihm her, um Schritt zu halten, und fragte weiter:
"Aber welche Neuigkeiten bringst du denn?"
"Allah hat den Muslimen den Sieg verliehen", antwortete
der Bote.
Nun lief 'Umar weiter, um noch mehr Einzelheiten von ihm zu
erfahren. Als beide die Stadt erreichten, begrüßte das Volk 'Umar als den Amirul Mu`minin. Der Bote war völlig überrascht; denn er hatte 'Umar vorher
nie gesehen. "O Amirul Mu´minin", fragte er mit leiser Stimme,
"warum hast du nicht gesagt, wer du bist?"
"Mach dir deshalb nur keine Sorgen", sagte 'Umar,
"bitte fahre fort mit den Einzelheiten deines Berichts!
"Eine Gruppe von Muslimen wird den »Weißen Palast« des
persischen Kaisers besetzen", hatte der Prophet, Allahs Segen und Friede
auf ihm, vor einigen Jahren voraus gesagt. Die stolze Hauptstadt des
Perser-Reiches war Al-Mada'in. Hier lebte der mächtige Kaiser in seinem berühmten
"Weißen Palast". Die Kaiserstadt war nicht mehr als 40 Meilen von Al-Qadisiyya entfernt.
Nach dem Sieg von Al-Qadisiyya blieb S'ads Heer zwei Monate in
Ruhestellung. Als die Männer sich erholt hatten, befahl S'ad den Marsch auf
Al-Mada'in. Städte und
Befestigungen am Wege wurden mühelos eingenommen, und bald erreichten die
Muslime das Ufer des Tigris. Auf der anderen Seite glänzte der "Weiße
Palast" in der Sonne.
Die Perser hatten die Brücke über dem Fluss zerstört. S'ad
befahl einigen seiner Leute, überzusetzen und das andere Ufer für eine Landung
des Heeres zu sichern. Sechzig Reiter stürzten sich sogleich in den Fluss.
Dieser Anblick erschreckte die persischen Wachen so sehr, daß sie laut
schreiend
So setzte S'ad mit seinem Heer über, ohne auf Widerstand zu stoßen.
Yezdegerd und sein Hof waren schon geflohen. Als die Muslime schließlich im
"Weißen Palast" waren, fanden sie Mengen von Edelsteinen und
unermessliche Schätze. Ein Fünftel dieser reichen Beute wurde nach Medina
geschickt, der Rest wurde unter die Männer verteilt. Jeder Soldat erhielt
12.000 Goldstücke und andere wertvolle Gegenstände. S'ad und 'Umar dankten
Allah dafür, dass ihre Männer sich während des ganzen Feldzuges als
vollkommen ehrlich und aufrichtig erwiesen hatten.
Als die reiche Beute aus dem "Weißen Palast" in Medina
eintraf und in der Moschee des Propheten Muchammad, Allahs Segen und Frieden auf
ihm, aufgehäuft wurde, brach 'Umar bei
diesem Anblick in Tränen aus.
"Das ist doch kein Grund zum Weinen", bemerkte einer, der
dabeistand.
"Ich weine", sagte 'Umar, "weil Reichtum
Feindschaft und gegenseitige Erbitterung hervorruft, und ein Volk mit diesen üblen
Eigenschaften verliert sein Ansehen."
Zur Beute gehörte auch das Schwert des Kaisers. Sein Knauf war mit
Juwelen von besonderer Schönheit verziert. `Umar bewunderte die Pracht des
Schwertes und lobte auch die
"Amirul Mu´minin", bemerkte 'Allii ibn Abu Talib,
"wenn du solch ein erhebendes Beispiel von Ehrlichkeit gibst, wie sollte
dann dein Volk nicht auch ehrlich sein?“
'Umar hatte nicht den Wunsch, das ganze Perser-Reich zu erobern; er
wollte nur das arabische Land von den Persern zurückbekommen. Nachdem er dies
erreicht hatte, wollte er Frieden. Er sagte oft:
Aber Yezdegerd wollte das nicht. Er versuchte immer wieder, zurückzugewinnen,
was ihm einmal gehört hatte. Dies führte zu ständigen Gefechten. Das von
Gallula' wurde zu einer der heftigsten Schlachten. Die Perser wurden überall
geschlagen. Yezdegerd floh von Ort zu Ort, wollte aber keinen Frieden schließen.
Schließlich ging er nach Khorasan und ließ sich in Merv nieder. Hier bereitete
er einen umfassenden Krieg gegen die Muslime vor.
S'ad schrieb dem Halifen, was in Persien vor sich ging. Einige
schlugen vor, dass 'Umar selbst ein Heer gegen Yezdegerd anführen solle. Aber
'Allii Ibn Abu Talib war anderer Meinung. Danach sollte `Umar in der Hauptstadt
zurückbleiben. 'Umar stimmte schließlich 'Alliis Vorschlag zu. Er ernannte
Nu'man ibn Muqarrin zum Befehlshaber des Heeres gegen Yezdegerd. Nu'man war im
Monat Mucharram des Jahres 19 n.H. zur Schlacht bereit.
Der persische Kaiser führte eine Armee von 150.000 Mann an. Beide
Heere trafen bei Nahawand aufeinander. Zwei Tage lang kämpften sie ohne einen
klaren Vorteil für eine Seite, am dritten Tag zogen sich die Perser hinter
Befestigungen zurück. Da die Muslime den Kampf nicht in die Länge ziehen
wollten, lockten sie den Feind mit einer Kriegslist aufs offene Feld.
Nun entstand ein erbarmungsloses Handgemenge, das bis in den späten
Abend anhielt. Es floss so viel Blut, dass das Schlachtfeld davon durchtränkt
wurde. Das Pferd des Kommandierenden Nu'man rutschte auf dem glitschigen Boden
aus; er fiel hinunter und wurde verwundet. Sein Bruder ließ ihn sogleich an
einen geschützten Platz bringen, dann bekleidete er sich mit Nu'mans
Kopfbedeckung und Umhang und bestieg selbst dessen Pferd. Dadurch erfuhren die
Krieger nichts von der Abwesenheit ihres Befehlshabers und kämpften weiter wie
zuvor.
Im Schutz der Nacht wandten sich schließlich die Perser zur
Flucht. Sie wurden aber verfolgt und zu Tausenden getötet. Reiche Beute fiel in
die Hände der siegreichen Muslime.
Nu'mans Wunden stellten sich als tödlich heraus. Er erlebte aber
noch den glücklichen Ausgang der Schlacht.
"Tausendfachen Dank an Allah", hauchte er noch "gebt
'Umar Nachricht."
Im nächsten Augenblick verschied er. ´Umar war glücklich über
die Siegesnachricht. Als er aber von Nu'mans Tod erfuhr, brach der `Umar in Tränen
aus und weinte lange.
Nach dem Sieg von Nahawand entschloss sich 'Umar, das persische
Problem ein für allemal zu lösen. Die Städte Basra und Kufa im Iraq waren
bereits gegründet und dienten den Muslimen als militärische Basis. Von diesen
Stützpunkten aus sollten mehrere Heere unter verschiedenen Befehlshabern in die
einzelnen persischen Provinzen einmarschieren. Die Eroberung war in rund fünf
Jahren abgeschlossen. Etwa um das Jahr 23 n.H. war fast ganz Persien Teil des
islamischen Reiches.
Al-Hakam ibn 'Umair At-Tarlabi drang nach Osten bis Sind vor. Ein
großes Heer der Belutschen stellte sich ihm entgegen. Der Radscha von Sind
sandte seine Streitkräfte zur Verstärkung. Aber Al-Hakam gewann, und Makran
wurde ein Teil des islamischen Reiches.
Al-Hakam wollte noch weiter nach Osten ziehen: Sein Wunsch war, die
Fahne des Islam bis nach Indien zu tragen. Aber 'Umar wollte das islamische
Reich nicht weiter ausdehnen und dafür muslimisches Blut vergießen. Daher
untersagte er Al-Hakam, über Makran hinauszugehen.
Yezdegerd verursachte noch eine Zeit lang Schwierigkeiten. Er
stellte einige Armeen auf und versuchte, die Macht zurückzugewinnen. Er erhielt
sogar militärische Hilfe von den benachbarten türkischen Königreichen. Alle
seine Versuche scheiterten jedoch. Schließlich gab er die Hoffnung auf und floh
nach Transoxanien, wo er während der Regierungszeit ´Usmans getötet wurde.
Während die Besetzung Persiens vor sich ging, verursachte Hurmuzan,
ein führender Perser, einiges Kopfzerbrechen in Medina. Er war Statthalter von
Al-Achwas an der Küste des Golfs. Zweimal schon war er in Schlachten geschlagen
worden und hatte um Frieden gebeten, aber jedes Mal hatte er
`Umar war verwirrt und fühlte sich veranlasst, etwas dagegen zu
unternehmen.
Die Befehlshaber von Basra und Kufa erhielten den Befehl
zu einem
zangenartigen Angriff
gegen den argwöhnischen
Hurmuzan. Dieser zog sich in die Festung Schuschter zurück, da er zu einer
offenen Schlacht nicht fähig war. Die Belagerung der Festung dauerte einen
ganzen
Bald war Hurmuzan unter Bewachung auf dem Weg nach Medina. Als die
Stadt in Sicht kam, legte er glänzende, seidene Gewänder an und setzte eine
Juwelenkrone auf. Der Anblick von `Umar in geflickter Kleidung nahm dem stolzen
Perser fast den Atem. "Warum hast du dein Wort immer wieder
gebrochen?" fragte `Umar.
Ehe Hurmuzan auf die Frage antwortete, bat er um einen Trunk, und
es wurde ihm ein Becher Wasser gebracht. Während er diesen in der Hand hielt,
rief er: "Ich fürchte, ich werde erschlagen, ehe ich mit dem Trinken
fertig bin!"
"Keine Angst", sagte `Umar, "bevor du nicht
ausgetrunken hast, wirst du nicht getötet."
Da goss der Perser das Wasser aus und sagte: "Nun kannst du
mich nicht erschlagen; ich habe dein Wort." Alle waren
sprachlos über diesen Trick. Da
erklärte Hurmuzan seinen Übertritt zum Islam, indem er die Schahada sprach.
"Ich bat nur deshalb um Wasser", fuhr Hurmuzan fort,
"um von dir das Versprechen zu erhalten, dass du mein Leben schonst. Ich
habe diesen Trick gebraucht, damit die Leute nicht behaupten können, ich wäre
aus Angst um mein Leben Muslim geworden."
`Umar war belustigt. Hurmuzan verbrachte den Rest seines Lebens in
Medina.
Als 'Umar Amirul Mu´minin wurde, herrschte noch Krieg mit Byzanz.
Einige Tage danach erlitt der Feind die schwere Niederlage am Al-Jarmuk. Aber er
nahm diese nicht zum Anlas, die Beziehungen zu den Muslimen endgültig zu
regeln; denn Byzanz hielt es für nötig, die Schande der Niederlage wieder
auszumerzen. Bald wurden große Heere in Damaskus und Fahl aufgestellt.
Der Kaiser von Byzanz wollte zurückerobern, was er verloren hatte,
und außerdem wollte er den Muslimen eine Lektion erteilen, die sie nicht
vergessen sollten. Der muslimische Befehlshaber Abu 'Ubaida bat `Umar
schriftlich um Anweisungen. 'Umar ordnete den Angriff an beiden Fronten an,
worauf Abu 'Ubaida beide Städte nacheinander belagerte.
Damaskus war die Hauptstadt von Syrien, und sie war sehr stark
befestigt. Abu 'Ubaida leitete den Angriff mit Hilfe fähiger Generäle wie
Halid ibn Al-Walid, 'Amr ibn Al-'As und Jasid ibn Abu Sufjan. Aber die
byzantinischen Streitkräfte hatten sich in die Stadt zurückgezogen und wollten
nicht zum Kampf herauskommen.
Halid suchte ständig nach einer günstigen Gelegenheit zum Angriff
und schlief deshalb nachts kaum. Eines Nachts bemerkte er in der Stadt eine
ungewöhnliche Aufregung. Spione brachten die Nachricht, dass dem Statthalter
ein Sohn geboren worden sei und dass das Volk sich dem Trunk und Vergnügen
hingegeben habe.
Halid sah endlich
seine Chance: Er überquerte den Festungsgraben in Begleitung einiger sorgfältig
ausgewählter Männer, die starke Seile bei sich hatten. Damit gelang es ihnen,
die Stadtmauer zu erklettern, dann sprangen sie hinab, töteten die Wachen und
öffneten das Tor. Mit dem Ruf "Allahu akbar!" drangen Halids Truppen
in die Stadt ein.
Die byzantinischen Heeresführer waren völlig überrascht. Hastig
öffneten sie das Stadttor auf der anderen Seite, liefen zu Abu 'Ubaida und
baten um Frieden.
Dieser wusste noch nichts von Halids gewagtem Handstreich und gewährte
ihnen bereitwillig Frieden zu günstigen Bedingungen.
Von den entgegengesetzten Toren kommend, trafen Halid und Abu 'Ubaida
in der Mitte der Stadt aufeinander. Jetzt bemerkte Abu 'Ubaida die List des
Feindes, aber er blieb bei den Bedingungen, die er gewährt hatte.
Damaskus fiel im Monat Redschab des Jahres 14 n.H. Zum Gouverneur
von Damaskus wurde Jasid ibn Abu Sufjan ernannt. Er und sein jüngerer Bruder
Mu'awiya eroberten das umliegende Gebiet mit seinen Städten.
Halids Verdienste werden anerkannt
Von Damaskus aus marschierte die islamische Armee nach Fahl und
eroberte es. Dann nahm sie die Befestigungen Marg Ar-Rum, Hirns und Qansrin ein.
In all diesen Kämpfen spielte Halid eine führende Rolle.
Als 'Umar von Halids gewagten Unternehmungen erfuhr, war er voller
Lob für ihn.
"Möge Allah Abu Bakr segnen!" rief er aus. "Er
kannte die Menschen besser als ich und hat Halid an den richtigen Platz
gestellt. Ich habe ihn nicht deshalb seines Postens enthoben, weil er Fehler
gemacht hätte, sondern weil ich befürchtet hatte, dass die Muslime zu sehr von
ihm abhängig würden. Immerhin hat Halid allein durch seine Leistungen den Rang
eines Befehlshabers verdient."
`Umar erhöhte Halids Rang und vergrößerte seine Macht.
Als Damaskus fiel, hielt sich der Kaiser von Byzanz in Antiochia
auf. Kaum hatte man sich von dieser Niederlage erholt, fielen schnell andere
wichtige Städte. Die byzantinischen Streitkräfte waren einfach hilflos gegen
die vordringende Flut des islamischen Heeres. Nach den fortwährenden
Niederlagen gab der Kaiser schließlich die Hoffnung auf, Syrien halten zu können.
Um den Rest des Reiches zu sichern, verzichtete er auf dieses Land.
"Lebe wohl, schönes Syrien", sagte er mit einem Seufzer,
als er von einem Hügel aus das Land überblickte, "nie mehr werde ich dich
wieder sehen."
Als Heraklios seine Hauptstadt Konstantinopel erreicht hatte, ließ
er einen ehemaligen Kriegsgefangenen zu sich kommen. Dieser war in die Hände
der Muslime gefallen und erst vor
"Was für ein Volk ist das?" fragte der Kaiser. Der Mann
entgegnete:
"O Kaiser! Es ist ein wunderbares Volk: am Tage furchtlose
Krieger, in der Nacht andächtig
Betende. Von
den unterworfenen Völkern verlangen die Muslime nichts, wofür sie nicht
auch bezahlen. Überall verbreiten sie Frieden und Gerechtigkeit. Aber wenn ein
Volk sich ihnen entgegenstellt, ruhen sie nicht eher, bis es nachgibt."
"Wenn sie solch magische Kräfte besitzen", sagte der
Kaiser, "werden sie sicherlich eines Tages auch den Boden unter meinen Füßen
erobern."
Der Fall von Antiochia und Adnadain
Die Muslime nahmen Aleppo ein und zogen dann gegen Antiochia. Als
"Asiatische Hauptstadt des Kaisers" nahm diese Stadt eine Schlüsselstellung
ein, aber sie konnte ohne großen Widerstand genommen werden.
Während Abu 'Ubaida und Halid in Nordsyrien beschäftigt waren,
vertrieb Jasid, der Sohn Abu Sufjans, den Feind vom libanesischen Küstenstreifen.
Nach der Einnahme von Beirut besetzte er die Küste in ihrer ganzen Länge.
Als nächstes fiel die Festung von Adnadain. Nun kam Jerusalem an
die Reihe, das bereits von einer islamischen Armee belagert wurde.
'Amr ibn Al-'As belagerte
Jerusalem. Nach der Einnahme von Antiochia stießen Abu 'Ubaida, Halid und
andere Führer des islamischen Heeres zu ihm. Die Christen in Jerusalem hatten
wenig Hoffnung auf Hilfe von Byzanz; deshalb entschieden sie sich für die
kampflose Übergabe.
Jedoch hegten die Christen einige Befürchtungen. Sie wussten, dass
sich vorher auch andere Städte kampflos ergeben hatten, und in jedem Fall
hatten die Sieger das Leben und das Eigentum der Besiegten geachtet. Sie hatten
ihre heiligen Stätten geschont und ihnen erlaubt, ihre eigene Religion auszuüben.
Aber weil es sich um Jerusalem handelte, waren sich die Christen da nicht ganz
sicher. Die Stadt war sowohl für sie als auch für die Muslime ein heiliger
Ort. Vor der Übergabe wollten sie sicher gehen, dass sie gut behandelt würden.
Sie machten deshalb Abu 'Ubaida folgenden Vorschlag:
"Wir sind bereit zur Übergabe, aber * Umar muss persönlich
zur Unterzeichnung des Friedensvertrages hier erscheinen."
Die Führer des islamischen Heeres kamen zur Beratung zusammen und
berieten über diesen Vorschlag; schließlich stimmten sie ihm zu; denn sie
sagten sich: "Warum sollen wir Blut vergießen für eine Sache, die auch so
geregelt werden kann?"
Der Vorschlag der Christen wurde `Umar überbracht: Quds könne
genommen werden, ohne einen Tropfen Blut zu vergießen, aber dazu müsse 'Umar
den weiten Weg von Medina nach Quds zurücklegen. Darauf ging 'Umar (r)
bereitwillig ein.
Als `Umra nach Quds aufbrach, ließ er 'Allii (r) als seinen
Stellvertreter zurück. Er nahm nur einen Begleiter mit. Sie hatten nur ein
Kamel, das sie abwechselnd ritten. Am Tag der Ankunft in Quds war der Diener an
der Reihe zu reiten.
"Amirul Mu´minin", sagte er, "es wird in den Augen
der Leute seltsam aussehen, wenn ich reite und du das Kamel führst. Sollten wir
nicht lieber tauschen?"
"O nein", antwortete 'Umar, "ich will nicht
ungerecht sein!
Der Islam ist genug Ehre für uns alle!"
Abu 'Ubaida, Halid, Jasid und andere Anführer gingen `Umar
entgegen. Sie trugen alle feine, luxuriöse Gewänder. Als 'Umar dies sah, wurde
er sehr wütend. Er hob einige Kieselsteine auf, bewarf sie damit und sagte:
"Habt ihr euch in knapp zwei Jahren so sehr verändert? Was
ist das für eine Kleidung? Selbst wenn dies 200 Jahre später geschehen wäre,
hätte ich euch entlassen! "
Die Heeresführer antworteten:
"O Amirul Mu`minin, wir sind in einem Land, in dem die
Kleidung eines Mannes seinen Rang zum Ausdruck bringt. Wenn wir gewöhnliche
Kleidung tragen, genießen wir wenig Ansehen im Volk. Aber unter diesen Gewändern
tragen wir unsere Waffen."
Diese Antwort kühlte den Zorn des `Umars ab. Danach unterzeichnete
er den Friedens vertrag, der wie folgt lautete: "Von 'Umar, dem Diener
Allahs und Amirul Mu´minin: Den Bewohnern von Quds wird die Sicherheit ihres
Lebens und Eigentums gewährleistet. Ihre Kirchen und Kreuze bleiben unversehrt.
Ihre religiösen Stätten sollen intakt bleiben, sie sollen weder besetzt noch
niedergerissen werden. Das Volk soll in seiner Ausübung im Diin vollkommen
frei und keiner Belästigung ausgesetzt sein..."
Nun wurden die Tore der Stadt geöffnet. 'Umar ging direkt zum
Tempel Dawuds, Mesdschid Al-Aqsa. Er betete unter Dawuds Bogen. Danach besuchte
er die größte christliche Kirche der Stadt. Als es Zeit zum Nachmittagsgebet
war, befand er sich gerade in der Kirche.
"Wenn du willst, darfst du in der Kirche beten", sagte
der Bischof.
"Nein", antwortete 'Umar; "denn wenn ich es täte, wäre
es vielleicht eines Tages ein Vorwand für die Muslime, euch die Kirche
abzunehmen."
So betete er auf den Stufen vor der Kirche. Er gab dem Bischof auch
ein Schreiben, in dem stand, dass die Stufen niemals für gemeinsame Gebete
benutzt und dass auch der Esan dort nicht gesprochen werden dürfe.
'Umar wollte in Quds eine Moschee errichten, und er fragte den
Bischof, welcher Platz wohl dafür geeignet sei. Der Bischof empfahl die
As-Sachra, den Felsen, auf dem der Prophet Jaquub, Allahs Segen und Frieden auf
ihm, zu Allah gebetet haben
soll. Hier hatten jedoch die Christen Müll aufgehäuft, um die Juden zu ärgern.
Der Nordiraq hatte bisher mit den Muslimen in Frieden gelebt.
Dieser Teil des Iraq hieß Al-Dschasira. Nun zettelte das Volk von Al- Dschasira.
eine Verschwörung an, um die Muslime aus Syrien zu vertreiben. Der
Kaiser von Byzanz wurde gebeten, ein Heer auszusenden, damit der Plan ausgeführt
werden könnte. Er entsprach diesem Wunsch, und das Volk von Al-Dschasira.
nahm Verbindung mit seinem Heer auf. Abu 'Ubaida und andere
muslimische Heeresführer sahen
sich deshalb gezwungen, sich in die Stadt Hirns zurückzuziehen, die der
Feind daraufhin belagerte. Als `Umar diese alarmierende Nachricht erhielt, zog
er an der Spitze einer Streitmacht aus, um seinen Leuten zu helfen. Aber ehe er
die Stadt erreichte, war der Feind bereits zurückgeschlagen.
Nun ordnete `Umar an, Al-Dschasira. zu besetzen. 'Ajaz ibn Dschannam führte den Befehl aus und
überrannte es innerhalb kürzester Zeit.
Im Jahre 17/18 n.H. wütete im Iraq, in Syrien und Ägypten eine
schlimme Seuche. Die Epidemie raffte einen großen Teil der Menschen hinweg.
Auch die islamische Armee in Syrien war von dieser Plage betroffen, und die Zahl
der Todesopfer war so groß, dass 'Umar (r) selbst nach Syrien ging, um sich ein
Bild von der Lage zu machen. In Saara wurde er von den Heeresführern empfangen,
und sie beschworen ihn, dem verseuchten Gebiet fernzubleiben. `Umar fragte 'Abdur-
Rachman ibn 'Auf, einen Sahaba des Propheten, Allahs Segen und Friede auf
ihm, um Rat. Dieser zitierte ihm einen Ausspruch des Propheten, Allahs Segen und
Friede auf ihm, den er selbst von ihm gehört hatte und der lautet:
"Wenn
eine Epidemie eine Stadt heimsucht, so begebt euch nicht dorthin; und wenn ihr
euch darin befindet, so verlasst sie nicht." Daraufhin ging 'Umar schließlich
zurück. Als Abu 'Ubaida das sah, sagte er:
"'Umar, willst du vor Allahs Fügung weglaufen?"
"Ja", antwortete 'Umar, "ich laufe vor Allahs Fügung weg zu
Allahs Fügung hin."
Einige Tage, nachdem 'Umar weggegangen war, starb Abu 'Ubaida
an der Seuche. Seinen Nachfolger Mu'ad ibn Dschabal traf dasselbe Schicksal. Die
Befehlsgewalt ging nun auf 'Amr ibn Al-'As über. Er befahl den Truppen sofort,
sich auf die Höhen verschiedener Hügel zu verteilen, und dieser kluge Befehl
brachte die Epidemie unter Kontrolle. Aber inzwischen waren schon 20.000 Krieger
gestorben; unter ihnen einige der fähigsten Heeresführer des Islam.
Als die Epidemie vorüber war, besuchte 'Umar Syrien zum letzten
Mal. Der Grund des Besuchs war, die Probleme zu lösen, die durch den Ausbruch
der Seuche entstanden waren. Einige Kilometer vor der Stadt Ela gab er seinem
Diener sein Pferd und ritt auf dessen Kamel. "Wo ist der Amirul Mu´minin?"
fragte das Volk den Diener.
"Da, vor euch!" antwortete dieser und zeigte auf den
Kamelreiter. Die Leute wunderten sich und trauten ihren Augen nicht. Schließlich
wurde ihnen klar, dass der Islam keinen Unterschied zwischen Herr und Diener
macht.
Während seines Aufenthalts in Syrien gewährte der `Umar den
Familien Unterstützung, die ihren Ernährer verloren hatten. Anstelle der
verstorbenen Hauptleute wurden andere ernannt. Eines Abends bestand das Volk
darauf, dass `Umar Bilal ersuchen sollte, den Esan zu sprechen. Bilal, der
seit dem Tod des Propheten, Allahs Segen und Friede auf ihm, nie wieder den Esan
gesprochen hatte, willigte ein. Als er begann, tauchten die Szenen aus der
Moschee des Propheten Muchammad, Allahs Segen und Frieden auf ihm, in Medina vor den Augen der Männer auf, und alle
fingen an zu weinen.
Im folgenden Jahr brach eine große Hungersnot in Al-Hidschas aus.
`Umar unternahm Schritte, um Lebensmittel von Syrien und Ägypten
heranzuschaffen; trotzdem war die Not weit verbreitet.
'Umar fühlte sehr mit dem Volk, so sehr, dass er schwor, weder
Butter noch Honig zu essen, solange die Hungersnot andauere. Dies wirkte sich
nachteilig auf seine Gesundheit aus. Als sein Diener das sah, brachte er ihm
einfach eines Tages Butter und Honig zum Essen. Aber 'Umar weigerte sich, es
anzurühren und sagte:
"Wenn ich das Leiden nicht selbst verspüre, wie kann ich dann
das Leiden anderer verstehen?"
'Amr ibn Al-'As war versessen darauf, Ägypten zu erobern. Es muss
deutlich gemacht werden, dass von Ägypten für den Islam eine Gefahr ausging.
Im Jahre 18 n.H., als 'Umar Syrien besuchte, bat 'Amr um die Erlaubnis, in
Ägypten einfallen zu dürfen. `Umar wollte nicht recht, aber 'Amr bedrängte
ihn. Schließlich erlaubte er 'Amr, an der Spitze von 4000 Mann loszuziehen.
'Amr war noch nicht in Ägypten angelangt, als er einen Brief von `Umar
erhielt, der ihn zurückrief. Der Gedanke an unnötiges Blutvergießen hatte 'Umars
Meinung geändert. Aber 'Amr war so begierig, Ägypten zu erobern, dass er den
Brief erst öffnete, als er schon im Land war.
Ägypten stand unter der Herrschaft eines Vizekönigs des Kaisers
von Byzanz. Der Kaiser unterhielt ein großes Heer in Ägypten, das unter seinem
Oberbefehl stand.
Die erste Schlacht führte 'Amr gegen die kaiserlichen Truppen. Sie
dauerte einen ganzen Monat. Aber am Ende siegte 'Amr (r); und das erleichterte
den weiteren Vormarsch. Dabei nahm er die Stadt Balqis ein, wo die Tochter des
Vizekönigs lebte. Sie war mit dem Sohn des Kaisers verheiratet und wollte
gerade nach Byzanz aufbrechen. Mit ihrer reichen Aussteuer fiel sie in die Hände
der Muslime. Aber 'Amr schickte sie zu ihrem Vater mit allem, was sie besaß.
Der Vizekönig war 'Amr sehr dankbar für diese Güte.
'Amr zog nun vor die stärkste Festung der kaiserlichen Streitkräfte.
Sie lag am östlichen Ufer des Nil. Gegenüber auf dem westlichen Ufer befand
sich der Palast des Vizekönigs. Der Befehlshaber der kaiserlichen Streitkräfte
zog sich in seine Festung zurück.
Die Belagerung dauerte lange und versprach wenig Hoffnung auf einen
Sieg. 'Amr schrieb nach Medina, worauf ihm `Umar eine Verstärkung von 12.000
Mann sandte. Mit ihr kamen einige der bekanntesten früheren Kriegsteilnehmer.
Einer von ihnen, As-Subair ibn Al-'Awwam, war ein sehr starker Mann. Ihm gelang
es, auf die Festungsmauer zu klettern, und viele andere machten es ihm nach. Als
sie zusammen in den Ruf "Allahu akbar!" ausbrachen, verlor der
kaiserliche Befehlshaber die Nerven. Er und seine Männer bestiegen die auf der
Flussseite liegenden Boote und segelten davon.
Der Vizekönig war nun seines stärksten Schutzes beraubt und bat
daher um Frieden. Die von ihm entsandten Unterhändler behielt 'Amr zwei Tage
bei sich, damit sie die islamische Lebensweise kennen lernen sollten. Dann sandte
er sie mit einer hoffnungsvollen Antwort zurück. Der Vizekönig fragte seine
Unterhändler, was für eine Art Menschen die Sieger seien.
"Herr", antworteten sie, "die Muslime sind Menschen,
die den Tod mehr lieben als wir das Leben und die Bescheidenheit mehr als den
Stolz. Habgier ist ihnen unbekannt. Sie halten es nicht für unwürdig, auf dem
Boden zu sitzen, und sie essen nicht an einem Tisch. Ihr Befehlshaber ist einer
wie sie, er hat kein besonderes äußerliches Kennzeichen. Die Muslime kennen
keinen Unterschied zwischen hoch und niedrig, Herr und Knecht. Wenn die Zeit des
Gebets kommt, nehmen alle ihre Waschungen vor und stehen Schulter an Schulter
voll Demut vor dem Herrn."
Der Vizekönig war sehr beeindruckt.
"Solch ein Volk", erklärte er, "wird jede Macht
erringen. Es ist besser, wir machen Frieden mit ihm." Daraufhin
unterzeichnete der Vizekönig den Friedensvertrag. Darin gewährten die Muslime
den Kopten Sicherheit des Lebens und des Eigentums und Glaubensfreiheit. Die
Kopten ihrerseits verpflichteten sich, den Muslimen im Kampf gegen die
kaiserlichen Truppen beizustehen.
Der Kaiser von Byzanz war sehr verärgert über diesen Vertrag,
aber der Vizekönig von Ägypten störte sich nicht daran. Er stand fest zu den
Vertragsbedingungen genauso wie die Muslime. Die Folge war, daß in kurzer Zeit
der größte Teil Ägyptens von den kaiserlichen Truppen geräumt war.
Alexandrien war die letzte Festung der kaiserlichen Streitkräfte
in Ägypten. Weil Byzanz die Stadt auf dem Seeweg mit Menschen und Hilfsgütern
versorgen konnte, schien ihre Eroberung schwierig.
Schließlich belagerte 'Amr die Stadt, aber selbst nach sechs
Monaten schien man einem Sieg nicht näher zukommen. Dies ärgerte 'Umar, und er
schrieb folgenden Brief an ' Amr: "Ich fürchte, dass die Muslime nicht
nach den Lehren des Qur'an und dem Beispiel des Gesandten Allahs, Allahs Segen
und Friede auf ihm, gelebt haben! Sage ihnen allen, dass sie diese Pflicht nicht
versäumen dürfen! Mache ihnen eindringlich klar, dass sie aufrecht, kühn und
kampfbereit sein müssen! Hole vereint mit anderen Heeresführern zum endgültigen
Schlag aus!"
'Amr gab diesen Brief der Armee bekannt. Die darin ausgesprochenen
Befehle wurden sofort ausgeführt, und am Ende des sechsten Monats der
Belagerung fiel Alexandrien. Es war Mittag, als der Bote Medina mit der
Siegesnachricht erreichte. Er wollte `Umar zu dieser Tagesstunde nicht stören
und setzte sich in die Moschee des Propheten, Allahs Segen und Friede auf ihm.
Aber ein Diener berichtete 'Umar von der Ankunft des Boten. `Umar lief hinaus und
fragte diesen:
"Warum bist du nicht gleich zu mir gekommen?"
"Ich dachte", antwortete der Bote, "du hieltest
vielleicht einen Mittagsschlaf."
"Wie schade, dass du so gedacht hast!" rief 'Umar.
"Wenn ich anfangen würde, am Tage zu schlafen, wer sollte
sich dann um die Staatsgeschäfte kümmern?"
Ägypten war nun vollständig erobert. 'Amr gründete eine Stadt am
Nilufer und nannte sie Al-Fustat. In ihrer Mitte errichtete er eine große
Moschee. Später entwickelte sich im Laufe der Zeit in der Nähe dieser Stadt
die Stadt Kairo.
Im Jahre 23 n.H. hatte 'Amr
die muslimische Armee westwärts bis Tripolis geführt.
Die Kopten waren Christen, aber sie befolgten auch heidnische Bräuche.
Jedes Jahr im Frühsommer feierten sie ein großes Fest, das ein Tag allgemeiner
Vergnügungen war. Das Fest wurde aber durch Menschenopfer beeinträchtigt: Eine
schöne, als Braut geschmückte Jungfrau wurde in den Nil geworfen. Das Volk
glaubte, dass dieses Opfer notwendig sei, um den Nil zu beschwören, große
Wassermengen für ihre ausgetrockneten Felder herbeizubringen. Wenn der Nil
beleidigt wäre, dachten sie, würde es keine Flut und somit keine Ernte geben.
Die Kopten baten 'Amr um die Erlaubnis, wie gewöhnlich eine
Jungfrau opfern zu dürfen. Er verweigerte
natürlich seine Einwilligung zu diesem
heidnischen Brauch, und
ausgerechnet in diesem Jahr hatte der Nil wenig Wasser; es gab eine Missernte
und viele Bauern verließen das Land. 'Amr bat `Umar schriftlich um Rat.
`Umar billigte 'Arnrs Entscheidung, und sandte einen an den Nil
gerichteten Brief. Darin stand:
"Vom Diener Allahs und Führer der Muslime an den Fluss Nil in
Ägypten: O Nil, wenn du aus eigenem Willen fließt, dann fließe nicht. Aber
wenn dein Fließen von Allah dem Allmächtigen bestimmt wird, dann beten wir zu
Ihm, dich fließen zu lassen."
Dieser Brief wurde in den Fluss geworfen, so wie es `Umar
angeordnet hatte - und der Nil trat in diesem Jahr über die Ufer; seit Jahren
hatte es keine so große Flut mehr gegeben. So hatte der Nil wohl dem `Umar
gehorcht. Das Land war wieder einmal grün und fruchtbar, die Bauern waren
In Medina lebte ein persischer christlicher Sklave mit Namen Abu
Lu'lu'a Firoz. Eines Tages kam er zum Halifen und sagte:
"Mein Herr verlangt eine zu hohe Gebühr für mich. Sorge
bitte dafür, dass sie herabgesetzt wird."
"Wie hoch ist denn die Gebühr?" fragte 'Umar.
"Zwei Dirham täglich", antwortete der Sklave.
"Was kannst du?" war die nächste Frage des ´Umar.
"Ich bin Schreiner, Maler und Schmied", sagte Abu Lu'lu'a.
"Dann ist die Gebühr keinesfalls zu hoch", erwiderte der
`Umar.
"Na gut", brummte der Sklave, als er wegging, "ich
werde noch mit dir abrechnen."
'Umar schenkte diesen Worten keine Beachtung.
"Ich bin von einem Sklaven getadelt worden", bemerkte er
lächelnd.
Früh am nächsten Morgen ging 'Umar (r) wie gewöhnlich zum Gebet
in die Moschee. Abu Lu'lu'a hielt sich bereits mit einem Dolch in der Hand in
einer Ecke versteckt. Als 'Umar mit dem Gebet begann, sprang der Sklave plötzlich
auf ihn zu und stieß sechsmal mit dem Dolch auf ihn ein. Als die
'Umar lag in seinem Blut bis zum Ende des Gebets, dann wurde er
heimgetragen.
"Wer ist mein Mörder?" fragte 'Umar.
"Abu Lu'lu'a", sagten die Leute.
"Alles Lob gebührt Allah!" sagte 'Umar, "Es ist
wenigstens kein Muslim, der mein Blut vergossen hat."
Ein Arzt wurde gerufen, um die Wunden `Umars zu behandeln. Als er
sagte, sie seien zu schwer, um zu heilen, begannen viele der Umstehenden zu
weinen.
"Weint bitte nicht", flehte 'Umar. "Wißt ihr denn
nicht, dass der Gesandte Allahs, ALlahs SEgen und Frieden auf ihm, gesagt hat, das Weinen der Verwandten vergrößere
den Schmerz des Sterbenden?"
Als er sein Ende nahen fühlte, rief 'Umar seinen Sohn ´ Abdullah
zu sich.
"Mein Sohn", sagte er, "gehe zu 'A'ischa; grüße sie
von 'Umar. Sprich zu ihr nicht von mir als dem Führer der Mu´minin; denn ich
bin es nicht mehr. Übermittle ihr meinen letzten Wunsch, in ihrer Gruft an der
Seite des Gesandten Allahs und meines großen Vorgängers beigesetzt zu
werden."
´A'ischa weinte, als 'Abdullah ihr den Wunsch seines Vaters überbrachte.
"Ich wollte diesen Platz eigentlich für mein eigenes Grab
freihalten, aber 'Umar gilt mir mehr", sagte sie. 'Abdullah brachte seinem
Vater 'A'ischas Einverständnis.
"Alles Lob gebührt Allah!" sagte 'Umar. "Das war
mein größter Lebenswunsch. Aber höre, 'mein Sohn, wenn du meinen Leichnam zu
'A'ischas Gruft bringst, grüße sie nochmals von mir und bitte sie nochmals um
ihre Erlaubnis. Willigt sie ein, bestatte mich dort. Sonst bringe mich auf den
Friedhof von Medina."
Die Leute baten den sterbenden `Umar, seinen Nachfolger zu
bestimmen.
"Wenn ich es tue", sagte 'Umar, "folge ich Abu Bakrs
Beispiel. Aber wenn ich es nicht tue, handle ich nach dem Beispiel des Gesandten
Allahs. Wenn Abu 'Ubaida noch am Leben wäre, würde ich ihn ernennen, weil der
Prophet Muchammad, Allahs Segen und Frieden auf ihm, ihn den "Treuhänder der Ummach" genannt hat. Oder wenn
Hudaifa, der Sklave Salims, noch lebte, hätte ich ihn ernannt, weil der Prophet
Muchammad, Allahs Segen und Frieden auf ihm, ihn "einen glühenden Verehrer Allahs" genannt hat."
"Ernenne deinen eigenen Sohn 'Abdullah", schlug einer
vor.
"Aufgrund seines Wissens und seiner Frömmigkeit ist er sehr
geeignet."
"Aus Al-Hattabs Familie ist ein Mann genug, um vor Allah die
Sache des Islam an führender Stelle zu verantworten", entgegnete 'Umar.
Wenn 'Umar diese Erwartung erfüllt hat, wird er sehr glücklich sein. Ich habe
diese Bürde während meines Lebens getragen, ich möchte sie nach meinem Tode
nicht auch noch auf meinen Schultern haben." Als man ihm die Frage noch
einmal vorlegte, sagte er: "Da sind sechs Männer,
denen der Gesandte Allahs sas vorhergesagt hat, dass ihnen das
Himmelreich sicher sei. Es sind 'Allii ibn Abu Talib, 'Usmaan ibn 'Affan, 'Adur-
Rahman ibn 'Auf, S'ad ibn Abu Waqqas, As-Subair Ibn al-'Awwam und
Talha ibn
'Ubaidullah. Ich
bitte sie,
sich zusammenzusetzen und aus ihrer Mitte den Amirul Mu´minin zu wählen.
Wenn sie sich nicht auf einen Namen einigen können, soll die Mehrheit der
Stimmen entscheiden."
'Umar hinterließ folgendes
Vermächtnis an
seinen Nachfolger:
"Fürchte Allah und schütze die Rechte der Muhadschirun und
der Ansar! Gib den Armen vom Überfluss der Reichen! Behandle die Andersgläubigen
gut und stehe immer zu deinem Wort!"
Als es mit ihm zu Ende ging, weinte 'Umar aus Furcht vor Allah.
"Mein Sohn", bat er' Abdullah, ''hilf mir, meine Stirn
auf den Boden zu drücken." , Abdullah gehorchte.
"O Allah", murmelte der sterbende `Umar, "vergib
mir. Tust du es nicht, dann wehe mir und meiner Mutter, die mich gebar." Im
nächsten Augenblick war 'Umar im Schoße Allahs Vergebung und Erbarmen. 'Umar
(r) starb am Mittwoch, dem 27. des Monats Su1-Hidscha des Jahres 23 n.H.,
nachdem er drei Tage verwundet gelegen hatte. Er war 63 Jahre alt geworden.
Die zehn Jahre von `Umars Staat
'Umar war zehn Jahre und sechs Monate Amirul `Muminin.
Diese Periode wird als das "Goldene Zeitalter des Islam" bezeichnet: Die zarte
Pflanze, die der Gesandte Allahs, Allahs Segen und Friede auf ihm, hinterlassen
und die Abu Bakr gegen Stürme geschützt hatte, wuchs unter 'Umars
unermüdlicher Pflege zu einem hohen und weit verzweigten Baum heran. Der Islam
wurde zu einer Weltmacht und konnte nun die Zeiten überstehen. Jetzt war
Wirklichkeit geworden, wofür der Prophet, Allahs Segen und Friede auf ihm, vor
Jahren gebetet hatte: 'Umar hatte den Islam stark und groß gemacht! Damit
ist auch sein eigener Name unsterblich geworden.
'Umars erstaunlicher Erfolg hatte zwei Ursachen - seine Taqwa und
seine Liebe zum Propheten, Allahs Segen und Friede auf ihm. In allem, was er
tat, vergaß er keine Sekunde lang, daß er Allah (t) verantwortlich war. Er
folgte genau dem Beispiel des Propheten, Allahs Segen und Friede auf ihm. Diese
beiden Eigenschaften machten ihn zugleich zum mächtigsten Herrscher und
selbstlosesten Mann seiner Zeit.
Seine ganze Macht setzte er ein zum größeren Ruhm Allahs und
Seines Gesandten, Allahs Segen und Friede auf ihm .
'Umars Heere warfen zwei mächtige Weltreiche nieder. Aber er
selbst führte ein einfaches und strenges Leben.
Außer der geringen monatlichen Zuwendung, die ihm bewilligt worden
war, erhielt 'Umar keinen Cent aus der Staatskasse für sich oder seine Familie.
`Umar unterhielt er diplomatische Beziehungen zu anderen
Herrschern. Einmal bat seine Frau den Gesandten in Byzanz, der Kaiserin eine
Flasche Parfüm als Geschenk mitzunehmen.
Als Gegengeschenk
sandte die
Kaiserin ihr
ein Perlenhalsband. Als 'Umar
davon erfuhr, gab er das Halsband zum Staatsschatz und sagte zu seiner Frau:
"Der Bote reiste auf Kosten der Allgemeinheit."
Abends pflegte der `Umar aus dem Baitu1-Mal Öl für seine Lampe
zu verbrauchen. Dies tat er aber nur so lange, wie er die Papiere für die
Staatsgeschäfte durcharbeitete. Danach löschte er die Lampe, obwohl er kein
anderes Licht in seinem Hause hatte.
'Umar kümmerte sich persönlich auch um die geringsten
Angelegenheiten des Volkes wobei er sich wie ein Schwerarbeiter abmühte. Jeden
Abend machte er einen Rundgang durch die Stadt, um sich mit eigenen Augen zu überzeugen,
wie das Volk lebte und fühlte. Er war stets bereit, denen zu helfen, die seine
Hilfe brauchten. Auf seinen Schultern schleppte er Proviant herbei und gab ihn
in den Häusern der Armen ab. Nichts konnte 'Umar davon abhalten, seine Pflicht
gegenüber dem Volk zu erfüllen. Alle Bürger einschließlich des Amirul Mu´minin
waren vor dem Gesetz gleich. Einmal musste 'Umar vor dem Gericht in Medina
erscheinen; denn jemand hatte gegen ihn geklagt. Als er das Gericht betrat,
stand der Richter auf, um ihm seine Achtung zu erweisen.
"Das ist die erste Ungerechtigkeit, die du dem Kläger gegenüber
begangen hast", sagte 'Umar zum Richter. Moderne, demokratische Staaten müssen
dieses Maß an Aufrichtigkeit erst noch erreichen; denn ihre höchsten Vertreter
dürfen vor ein gewöhnliches Gericht nicht vorgeladen werden. Der größte Wunsch 'Umars war es, die Segnungen des Islam in vollem Maße allen Völkern zuteil werden zu lassen, die unter seiner Herrschaft standen. Er war für jedermann erreichbar. Selbst der einfachste Mann konnte ihn auf der Straße ansprechen. Er konnte den Amirul Mu´minin fragen, warum er diese oder jene Anordnung getroffen habe. Auch eine arme Frau konnte ihm widersprechen und ihn auf irgendeinen Fehler aufmerksam machen. Trotz all seiner Macht und Frömmigkeit hielt er sich nicht für fehlerlos. Er begrüßte es, wenn Ansichten geäußert wurden, die mit seinen nicht übereinstimmten.
"Allahs Gnade komme über die, welche mich zur Erkenntnis
meiner Unzulänglichkeit bringen", sagte er.
'Umar wünschte, dass seine Gesandten ebenso
handelten wie er selbst. Er dachte vor allem an die unwürdigen Traditionen von
Persien und Byzanz und fürchtete, dass diese Traditionen den freien Geist des
Islam überziehen würden. Deshalb hatten die Statthalter strenge Anweisung, sich
nicht vom Volk abzusondern. Sie erhielten den Befehl, einfach zu essen und sich
einfach zu kleiden. Es war ihnen untersagt, Vorhallen vor ihren Häusern zu
errichten. Sie durften auch keine Wächter vor den Türen haben. 'Umar bestand
darauf, dass die Herrscher mit dem Volk eins sein sollten und verlangte, dass
sie sich zwanglos unter das Volk mischten. Sie sollten für jeden Mann und für
jede Frau, die unter ihrer Herrschaft lebten, erreichbar sein. 'Umar suchte die
enge Verbindung zur Alltagsarbeit seiner Verwalter, um sicher zu sein, dass
seine Anordnungen auch befolgt würden. Vertrauenswürdige Beobachter bereisten
das weite persische Reich, um den Amirul Mu´minin Bericht zu erstatten.
Einmal erfuhr 'Umar, dass einer seiner Statthalter sich vom
Volke abgesondert hatte. Er wurde daraufhin sofort nach Medina zurückberufen.
Der Úmar ließ ihn sein seidenes Gewand ablegen und schickte ihn als
Schafhirten in die Wüste. 'Umars Gerechtigkeit machte auch vor dem höchsten
Rang nicht Halt.
'Umar hatte ein großes Reich zu verwalten und
erwies sich dieser Aufgabe mehr als gewachsen. Sie bestand darin, sich um
ausgedehnte militärische Unternehmungen zu kümmern, die gleichzeitig im Osten
und im Westen stattfanden. Er meisterte diese Herausforderung mit erstaunlichem
Erfolg. Danach musste er Frieden und Ordnung in seinem riesigen Reich schaffen.
Auch hierin war sein Erfolg unerreicht. Nirgendwo in der übrigen Welt kannte man
so viel Freiheit, Gerechtigkeit und Sicherheit, wie er sie seinem Volk gab. Kurz
gesagt: 'Umar
wurde zur Quelle, aus der unverfälscht der Segen floss, den der Gesandte
Allahs, Allahs Segen und Friede auf ihm, der Menschheit gebracht hatte. |