Definition

Muslime verinnerlichen mit absoluter Gewissheit den Iman an Al-Qadaa und Al-Qadar und an alle Aussagen, die in Qur´an und Sunna über sie enthalten sind.

Dieser Iman resultiert aus dem Iman an die vollkommensten Attribute Allahs, insbesondere aus dem Iman an den Willen, das Allwissen und die Allmacht Allahs.

Und Allah gehört das Verborgene der Himmel und der Erde und Ihm unterliegen die Angelegenheiten -allesamt. So diene Ihm und übe Tawakkul Ihm gegenüber. Dein Herr ist gewiss nicht achtlos dem gegenüber, was ihr tut.

(11:123)

Im islamologischen Kontext ist die Verwendung der deutschen Begriffe "Schicksal, Verhängnis und Fatalismus" als Synonyme für die islamischen Fachbegriffe "Al-Qadaa und Al-Qadar" gänzlich ungeeignet, weil im allgemeinen deutschen Sprachgebrauch diese Begriffe einen völlig anderen Bedeutungsinhalt haben und teilweise auch im Kontext mit Religionsinhalten der Kafir Gemeinschaften verwandt werden, für welche die u. a. islamische Definition von "Al-Qadaa und Al-Qadar" nicht verbindlich ist.

Aus diesem Grund ist zunächst eine Begriffsbestimmung, d.h. eine Erklärung der Begriffsinhalte mit den islamisch relevanten Bedeutungs­varianten, Bedeutungsnuancen und Deutungs- bzw. Interpretationsmög­lichkeiten notwendig.

 

Al-Qadaa

... beschreibt Allahs anfangsloses, allumfassendes Voraus­wissen über die definitiv in der ReAlliität eintreffende Zukunft aller Geschöpfe. Der Begriff Al-Qadaa hängt mit dem Attribut des Allwissens von Allah zusammen.

Al-Qadar

... ist die Verwirklichung von Al-Qadaa durch Allahs Allmacht entsprechend Seinem Willen. Der Begriff Al-Qadar hängt mit dem Attribut der Allmacht und des Willens von Allah  zusammen. Zum richtigen Verständnis des Iman an Al-Qadaa und Al-Qadar muss man zunächst zwischen zwei Ebenen unterscheiden:

-der Ebene Allahs und

- der Ebene von Menschen und Dschin.

 

1. Die Ebene Allahs

Allah ist Der allwissende und allmächtige Schöpfer aller noch nicht existenten, aller existenten und aller nicht mehr existenten Geschöpfe. Er ist Der Schöpfer der absoluten TotAlliität und damit auch Der Schöpfer der Zeit, d.h. von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Er ist außerdem auch Der Schöpfer des freien Willens von Menschen und Dschin. Bezogen auf diese Willens-, Entscheidungs- und Handlungs­freiheit folgt daraus, dass Allah im voraus weiß, wie diese Geschöpfe sich entscheiden werden und wie sie aufgrund dieser Entscheidung handeln werden, aber Er nimmt ihnen die Entscheidung nicht ab und Er zwingt ihnen keine Handlungen in diesem Bereich auf.

 

2. Die Ebene von Menschen und Dschin

Diese Geschöpfe verfügen im Gegensatz zu Allah, ihrem Schöpfer, nur über sehr begrenzte Kenntnisse und Erkenntnisfähigkeit. Entscheidend bei der Beurteilung der Willensfreiheit ist, dass diese Geschöpfe keinerlei Kenntnisse über ihre eigene Zukunft oder die Zukunft der übrigen Schöpfung haben. Daraus folgt, dass sie ausnahmslos alle ihre Entscheidungen völlig frei und unbeeinflusst auf der Basis ihres begrenzten Wissens und ihres eingeschränkten Horizonts treffen, und nicht weil sie von "Al-Qadaa" dazu gezwungen werden. Sie haben also die Wahlfreiheit bei ihren Entscheidungen und daraus folgend auch Handlungsfreiheit bei ihren Taten. Gleichzeitig weiß Allah bereits im voraus wie diese Geschöpfe sich entscheiden werden und wie sie handeln werden.

Aufgrund dieser Entscheidungs- und Handlungsfreiheit tragen diese Geschöpfe die alleinige Verantwortung für ihre freiwillig verrichteten Taten und werden deswegen für diese Taten von Allah am Jüngsten Tag zur Rechenschaft gezogen.

Anmerkung:

Wenn im Islam von Handlungen gesprochen wird, gilt folgendes Prinzip:

Handlungen und Taten der Geschöpfe müssen vor Allah nur dann verantwortet werden, wenn sie aufgrund einer freien Entscheidung, im Vollbesitz der geistigen Kräfte und unter normalen Umständen, bewusst und freiwillig begangen werden, d.h. ohne Zwang, ohne besondere Notlage und ohne Einschränkung der Urteils- und Entscheid­ungsfreiheit. Handlungen und Taten, die nicht diese Kriterien erfüllen, werden nicht verantwortet.

In der islamischen Fachliteratur wird dieser Iman-Artikel im allgemeinen nur mit "Al-Qadar" bezeichnet, was hier auch übernommen wird. Muslime verinnerlichen den Iman an Al-Qadar, an seine guten und schlechten Aspekte.

Der Gesandte Muchammed, Allahs Segen und Frieden auf ihm, sagte ibn-'Abbas): „Bewahre Allahs (Diin), dann bewahrt Er dich. Bewahre Allahs (Diin), dann findest du Ihn bei dir. Wenn du um etwas bitten willst, dann sollst du (nur) Allah bitten. Wenn du Hilfe suchst, dann sollst du bei Allah Hilfe suchen. Und du sollst wissen, dass, wenn die (gesamte) Ummach sich versammeln würde, dir in einer Sache zu nutzen, sie dir nur in etwas nutzen kann, das Allah schon für dich nieder­schrieb, und dass sie, wenn sie sich versammeln würde, dir in einer Sache. zu schaden, sie dir nur in etwas schaden kann, das Allah schon für dich niederschrieb. Die Schreibfedern sind hochgehoben und die Blätter getrocknet.“

Tirmisi

Die Iman-Inhalte von Al-Qadar können nach Imam ibnu-Teymija in zwei Kategorien unterteilt werden:

 1. Der Iman daran, dass Allah als Quelle und Zentrum allen Seins aufgrund Seines Allwissens genaueste Kenntnis über die Zukunft aller Geschöpfe besitzt, und der Iman daran, dass diese Vorherkenntnis Allahs über die wirklich eintreffende Zukunft niedergeschrieben ist.

Weder trifft ein Unglück auf Erden, noch euch selbst, ohne dass es in einer Schrift ist, bevor Wir es erschufen. Dies ist für Allah etwas Leichtes. Damit ihr nicht trauert um das, was euch entgangen ist, und euch nicht übermäßig freut über das, was euch gewährt wurde.

(57:22-23)

Weißt du etwa nicht, dass Allah alles kennt, was im Himmel und auf Erden ist?! Dies ist in einem Register. Dies ist für Allah gewiss leicht!

(22:70)

Allah kennt z. B. alle Angelegenheiten der Geschöpfe:

- Zeitpunkt von Geburt und Tod und die Zeitspanne ihres Lebens,

- alle Geschehnisse, die Entscheidungen erfordern,

- alle Umstände, die Entscheidungen beeinflussen,

- alle Entscheidungsfindungsprozesse,

- alle bewusst und unbewusst gefällten Entscheidungen,

- alle daraus resultierenden Handlungen und ihre Auswirkungen,

- alle weiteren Entscheidungen aufgrund dieser Handlungen, usw.

  2. Der Iman an den Willen Allahs, den Er definitiv, unvermeidlich und absolut autonom durchsetzt, und der Iman an Seine absolute Allmacht. Dies beinhaltet:

- dass durch den Willen Allahs alles, was Er will, aufgrund Seiner Allmacht unausweichlich geschieht und geschehen wird, -

- dass absolut nichts geschehen kann und wird, das nicht Deinem Willen entspricht.

  Bezogen auf die Handlungsebene der Geschöpfe bedeutet dies, dass Allah (ta'ala) Der Schöpfer

- aller Geschöpfe ist,

- aller Handlungen der Geschöpfe ist,

- des freien Willens aller Menschen und Dschin ist.

Daraus folgt, dass

- die Menschen und Dschin von Allah die Fähigkeit erhielten, eigenverantwortlich und frei Entscheidungen zu treffen und aufgrund dieser Entscheidungsfreiheit auch frei und uneingeschränkt agieren können,

- alle Menschen und Dschin ohne Ausnahme den von Allah erschaffenen Gesetzmäßigkeiten von Al-Qadar freiwillig oder unfrei­willig, bewusst oder unbewusst unterworfen sind.

- alle Geschöpfe, Mu’mins und Kafirs, Diener Allahs sind.

  Die Mu’mins dienen Allah bewusst und freiwillig in allen Bereichen, d. h. in den Bereichen, die ihrer Entscheidungsfreiheit unterliegen und in den Bereichen, die nicht ihrer Entscheidungsfreiheit unterliegen (Leben, Tod, usw.).

Die Kafirs dienen Allah unbewusst und unfreiwillig nur in den Bereichen, die nicht ihrer Entscheidungsfreiheit unterliegen (Leben, Tod, usw.).

 

Die "guten und schlechten" Aspekte von Al-Qadar

Die Differenzierung von Al-Qadar in "gute und schlechte" Aspekte beruht

einzig und allein auf der menschlichen Perspektive.

Der Mensch ist wegen seines beschränkten Horizonts und seiner beschränkten Erkenntnisfähigkeit außerstande alle relevanten Zusammen­hänge (im Diesseits und Jenseits) zur Beurteilung einer Handlung, eines Ereignisses oder einer Entwicklung zu erkennen.

Aufgrund dieser mangelhaften Fähigkeiten kommt es deshalb zu Fehlein­schätzungen und Falschinterpretationen, indem Geschehnisse als negativ beurteilt werden, die in ihrem von Allah geplanten Endeffekt ausschließlich positiv sind und somit Allahs Gerechtigkeit wider­spiegeln. Allah ist der absolut Vollkommene und Gerechte; Er erschuf nichts absolut Negatives, Unnötiges oder Überflüssiges, da dies Seiner Weisheit und Vollkommenheit widerspricht.

Daraus folgt, dass der sog. "schlechte" Aspekt von Al-Qadar relativ zu sehen ist und seinerseits zwei Ebenen hat:

- die absolute Ebene Allahs, d.h. die ausschließlich und absolut positive, gute Seite dieses Aspekts, die mit dem Willen und Handeln Allahs zusammenhängt.

- die relative menschliche Ebene, d.h. die "negative, schlechte" Seite dieses Aspekts, die dem betroffenen Geschöpf vordergründig als

schlecht erscheint.

Beispiele für den "schlechten" Aspekt:

  - Die Erschaffung des Scheytans

Die Erschaffung des Scheytans ist aus der beschränkten, rein mensch­lichen Perspektive und auf das Diesseits bezogen ein Unglück für den Menschen, weil der Scheytan die Menschen in Versuchung führt und bemüht ist, sie vom rechten Weg abzubringen.

  Die Erschaffung des Scheytans ist aus der allumfassenden Perspektive Allahs, bezogen auf das Diesseits und das Jenseits, jedoch etwas Gutes für den Menschen,

- weil Allah den Menschen mit diesen Versuchungen und Verführungen immer wieder eine neue Chance bietet, ihren Iman und ihre Standhaftigkeit zu beweisen,

- weil Allah den Menschen nach diesen Prüfungen immer wieder eine neue Chance bietet, für ihre Verfehlungen um Ver­gebung zu bitten, und

- weil Allah den Menschen bei diesen Prüfungen Hilfe, Unterstützung und Schutz vor dem Scheytan zusagt, wenn sie Ihn darum bitten.

Diejenigen, Mutaqis, wenn sie Unschönes durch Scheytan überkommt, entsinnen sie sich und sehen (ihre Verfehlung) wieder ein.

(7:201)

Und sollte dich etwas Provozierendes vom Scheytan provozieren, dann suche Schutz bei Allah. Er ist gewiss Der Allhörende, Der Allwissende.

(41:36)

- Krankheit und Leid

Krankheit ist aus der beschränkten rein menschlichen Perspektive und auf das Diesseits bezogen ein Unheil für den Menschen, weil sie mit Schmerzen und Leid verbunden ist.

Krankheit ist aus der allumfassenden Perspektive Allahs und auf das Diesseits und das Jenseits bezogen etwas Gutes für den Menschen, weil Allah dem Menschen für jeden Schmerz und jedes Leid das ihn trifft einige seiner Sünden vergibt.

Ein weiterer positiver Aspekt von Krankheit ist die Erinnerung des Menschen an seine Vergänglichkeit und an seinen Tod und damit indirekt die Erinnerung an seine Aufgabe im Diesseits, nämlich Allah zu dienen und sich Ihm zu unterwerfen.

Aus diesem Grund wird erkennbar, warum der Mensch in Krisen und Grenzsituationen (Krankheit, Leid und Not) Allah am nächsten ist.

Und dann, wenn Unglück euch trifft, zu IHM alleine fleht ihr.

(16:53)

Und wenn die Menschen Unglück trifft, richten sie Bittgebete an ihren Herrn umkehrend zu Ihm.

(30:33)

 

Die Beziehung zwischen Kufr und Al-Qadar

Manche Kafirs rechtfertigen ihren Kufr mit Al-Qadar und behaupten, dass sie nicht Kufr betrieben hätten, wenn Allah dies nicht wollte.

Daraus ergibt sich die Frage: Können Kufr, Verfehlungen oder Sünden mit Al-Qadar begründet werden?

Allah argumentiert hierzu im Qur´an folgendermaßen:

­Diejenigen, die Schirk betreiben, werden sagen: 'Hätte Allah es gewollt, hätten weder wir noch unsere Väter Schirk betrieben, auch hätten wir nichts (ohne Erlaubnis) Verbotenes gemacht.' Solcherart leugneten schon diejenigen vor ihnen, bis sie Unsere Peinigung erfuhren. Sag: 'Habt ihr irgendein Wissen darüber, das ihr uns vorlegt?' Doch ihr folgt nur dem Spekulieren, und ihr lügt ja nur! Sag: 'Allah verfügt über das eindeutige Argument; hätte Er es gewollt, so hätte Er euch allesamt rechtgeleitet.“

(6:148-149)

Die vorgeschobenen Argumente der Kafirs für ihre Verfehlungen sind nicht stichhaltig und völlig haltlos,

-weil sie keinerlei Einsicht in  die wohlverwahrte Tafel haben und somit nicht wissen konnten und können, was Allah für sie bestimmt hat. Sie handeln also falsch nicht aufgrund der Bestimmung Allahs, sondern nur aufgrund ihrer freien Entscheidung.

- weil sie Allah negative Eigenschaften bzw. ungerechtes Handeln zuordnen, indem sie unterstellen, dass ihr Fehlgehen von Akllah gewollt war.

Fakt ist, dass Allah:

- absolut gerecht ist,

- die Menschen mit freiem Willen ausstattete,

- nur das Gute gebietet,

- den Menschen nur den Islam gebot und nicht das Fehlgehen,

- die Menschen nur für freiwillig verrichtete Taten zur Rechenschaft zieht und dass die Vorfahren der Kafirs nur aufgrund ihres freiwilligen und absichtlichen Leugnens und ihres bewussten Fehlgehens bestraft wurden und werden,

- die Menschen in diesem Bereich zu nichts zwingt. Hätte Er die Geschöpfe zu etwas zwingen wollen, hätte Er sie sicherlich zum Iman gezwungen und nicht zum Kufr.

Und wenn sie eine Abscheulichkeit taten, sagten sie: "Wir fanden unsere Vorfahren diese praktizieren und Allah gebot sie uns." Sag: "Allah gebietet keine Abscheulichkeit! Wollt ihr von Allah etwas behaupten, was ihr nicht wisst?" Sag: "Mein Herr gebietet Gerechtigkeit." Und richtet euch zu Ihm bei jedem Sudschud und richtet Bittgebete an Ihn in lauterem Diin (Gehorsam). Wie Er euch das erste Mal erschuf, so werdet ihr nochmals zurückkehren.

(7:28-29)

Wenn ihr Kufr betreibt, so ist Allah autark euch gegenüber! Doch Er stimmt Seinen Dienern das Kufr-Betreiben nicht zu. Doch wenn ihr euch dankbar erweist, dies stimmt Er euch zu. Und keine verfehlende Seele trägt die Verfehlung einer anderen. Dann ist zu eurem Herrn eure Rückkehr, dann wird Er euch Mitteilung machen über das, was ihr zu tun pflegtet. Er ist gewiss allwissend über das von den Brüsten.

(39:7)

Diesbezüglich sagte der Gelehrte Qutb in seinen Tefsir':

"Allah beauftragt die Menschen nicht damit, Seine verborgene Vorkenntnis und Seinen verborgenen Willen zu entdecken, um sich danach zu richten, vielmehr beauftragte Er sie, Seine Gebote und Verbote zu kennen, um sich danach zu richten."

 

Das Verbot des Hinterfragens von Al-Qadar

Im Islam zählt Al-Qadar zu den verborgenen Dingen, d. h. zu den Dingen, von denen der Mensch keine Kenntnis besitzt, weil er sie intellektuell nicht erfassen kann. Einzig und allein Allah verfügt über das allum­fassende Wissen und die absolut vollkommene Kenntnis von Al-Qadar.

Allah selbst vermittelte den Menschen durch die Gesandten einige begrenzte Kenntnisse von Al-Qadar. Diese begrenzten Kenntnisse reichen für das Diesseits aus. Weitere, tiefergehende Kenntnisse über Al-Qadar sind von Allah für den Menschen im Diesseits nicht vorgesehen. Aus diesem Grund ist es untersagt, nach den nicht geoffen­barten, verborgenen Dingen von Al-Qadar zu forschen, Spekulationen darüber anzustellen und Vermutungen dazu zu äußern.

Deshalb verurteilte der Gesandte, Allahs Segen und Frieden auf ihm, in ungewöhnlich scharfer Form eine Gruppe von Personen, die sich ohne fundiertes Wissen, mit Vermutungen und mit Spekulationen zu Al-Qadar äußerten:

Warum verdreht ihr Allahs Schrift ineinander? Dadurch sind jene zugrunde gegangen, die vor euch waren.

Achmed

Diesbezüglich sagte Imam At-Tahawi:

"Al-Qadar ist das Geheimnis Allahs in Seiner Schöpfung, das Er keinem nahegestellten Engel und keinem entsandten Propheten gelüftet hat (...) Er hat den Menschen verboten, danach zu forschen, denn Allah sagte:

Er wird nicht befragt nach dem, was Er tut, während sie doch befragt werden.

(21:23)

Wer also fragt: 'Wozu tat Er dies?', hat Allahs Schrift zurück­gewiesen! Und wer die Schrift Allahs zurückweist, zählt zu den Kafirs! (...) Denn das Wissen besteht im allgemeinen aus zwei Wissens­zweigen: Das, welches den Geschöpfen bekannt ist, und das, welches den Menschen verborgen ist. Deshalb zählt das Leugnen des bekannten Wissens genauso zum Kufr wie die Behauptung, das Verborgene zu kennen. Der Iman ist nur dann befestigt, wenn das bekannte Wissen angenommen und das Streben nach dem Verborgenen unterlassen wird."

 

Auswirkungen dieses Iman auf das Leben der Mu'mins

Dieser Iman beruhigt die Seele der Mu’mins, fördert ihre Standhaftigkeit, Ausdauer und Geduld bei allen Prüfungen, stärkt ihre Bereitschaft gegen Ungerechtigkeit anzukämpfen und bewirkt im Endeffekt ihre vollkommene Zufriedenheit mit allem, was Allah dem Menschen im Diesseits auferlegt, gegeben und geboten hat. ’Umar ibn Al-Hattab sagte einem Gefährten:

"Das Gute als Ganzes liegt in der Zufriedenheit (mit Al-Qadar). Wenn du damit zufrieden sein kannst, dann tue es, sonst sei standhaft."

Die praktische Umsetzung dieses Iman-Artikels im Alltag wirkt sich in allen Lebensphasen positiv, motivierend und stabilisierend aus und beeinflusst in diesem Sinne als dynamisches Element unmittelbar auch die Lebensgestaltung.

Die bedingungslose Hingabe Allah und Seinen Lebensregeln gegenüber, das Vertrauen auf Allah in allen Angelegenheiten und das Wissen und die Anerkennung Allahs als Schöpfer der gesamten TotAlliität, u.a. aller Ursachen und deren Wirkung, wirkt sich folgendermaßen aus:

- Bei der Vergangenheitsbewältigung wirkt der Iman an Al-Qadar als stabilisierendes Moment, weil Muslime sich absolut sicher sind, dass alles, was sie getroffen hat, sie nach Allahs Wissen und Willen genauso treffen sollte.

Fragen nach dem "Warum?" oder Spekulationen über "wenn und aber" erübrigen sich somit.

- Im Bereich der aktuellen Lebensplanung und Lebensgestaltung wirkt der Iman an Al-Qadar als dynamisches Element der Motivation zu eigenverantwortlichem Handeln.

Muslime sind sich sicher, dass dieses Leben für die Verrichtung von Taten gedacht ist, für die sie am Jüngsten Tag zur Rechenschaft gezogen werden. Aus diesem Grund streben sie bei allen Aktivitäten, Handlungen und Taten danach, das Wohlgefallen Allahs zu erlangen und alle Handlungen und Taten auf die denkbar beste Art und Weise zu verrichten.

- Im Bereich der Zukunftsplanung wirkt der Iman an Al-Qadar ebenfalls als dynamisches Element der Motivation zu eigenverantwortlichem Handeln, weil Muslime wissen, das sie auch für ihre Absicht bei der Verrichtung von Handlungen und Taten vor Allah Rechenschaft ablegen müssen. Aus diesem Grund bemühen sie sich ihr Leben im Einklang mit den Regeln Allahs möglichst optimal zu planen und zu gestalten.

Als der Gefährte des Gesandten Muchammed, Allahs Segen und Frieden auf ihm, Salman Al-Farsi nach der Bedeutung von "bis du den Iman an das Gute und das Böse von Al-Qadar verinnerlichst" gefragt wurde, sagte er: "Bis du den Iman an Al-Qadar verinnerlichst" bedeutet dass du weißt, dass das, was dich verfehlt hat, dich nie treffen konnte, und dass das, was dich getroffen hat, dich nie verfehlen konnte.“

Al-Adschiri

Der Gesandte Muchammad, Allahs Segen und Frieden auf ihm, sagte: "Bewundernswert ist die Angelegenheit des Mu’mins! Seine 'gesamte Angelegenheit ist für ihn gut -und das (diesen Vorteil) hat niemand außer der Mu’min: wenn ihn Erfreuliches trifft, ist er dankbar, und das ist gut für ihn; und wenn ihn Unglück trifft, ist er standhaft, und das ist gut für ihn.“

Muslim, Achmed

’Umar ibn Al-Hattab sagte: "Wären die Standhaftigkeit und die Dankbarkeit zwei Kamele, wäre es mir egal, welches von beiden ich ritte."

Der Gesandte Muchammad, Allahs Segen und Frieden auf ihm, sagte: Die Propheten sind unter den Menschen diejenigen, die am intensivsten geprüft werden, dann folgen die Guttuenden, dann folgen die ihnen am ähnlichsten, dann folgen die ihnen am ähnlichsten. Unter den Menschen wird jeder nach seinem Diin (Iman) geprüft, wenn sein Diin (Iman) stark ist, wird seine Prüfung dementsprechend intensiviert. Wenn sein Diin (Iman) jedoch schwach ist, so wird ihm (die Prüfung) erleichtert. Die Prüfung begleitet den Menschen solange, bis er auf Erden frei von jeder Sünde geht.

Achmed ibn Hanbal

 

Al-Qadar und die Gesetzmäßigkeiten der Schöpfung

Muslime, die den Iman verinnerlicht haben, setzen grenzenloses Vertrauen in Allah in allen ihren Angelegenheiten.

Dieses Vertrauen impliziert auch die Anerkennung der Gesetzmäßigkeiten der Schöpfung Allahs und die bewusste Unterwerfung darunter.

In diesem System der Schöpfungs-Ordnung ist für alles nach dem Prinzip Ursache-Wirkung ein bestimmter (Handlungs- )Ablauf vorgesehen.

Die Mu’mins bemühen sich, diese Gesetzmäßigkeiten bzw. diese (Handlungs-)Abläufe zu erkennen und entsprechend zu handeln, weil sie sich bewusst sind, dass der Sinn ihres Lebens im Diesseits die Verrichtung von guten Taten ist, für die sie Rechenschaft ablegen werden.

Beispiel:

Die Mu’mins wissen, dass Allah Der Schöpfer des Lebensunter­haltes, der Arbeit und aller Zusammenhänge zwischen beiden ist.

Sie wissen auch, dass es zur Schöpfungs-Ordnung gehört, die Sicherung des Lebensunterhaltes durch Arbeit zu gewährleisten.

Daraus folgt, dass die Mu’mins sich ernsthaft bemühen, ihren eigenen Lebensunterhalt durch ihrer Hände Arbeit zu verdienen und gleichzeitig mit der Erfüllung ihrer Handlungspflicht darauf vertrauen, dass Allah ihnen Ri’sq (alle Gaben des Lebensunterhalts) gewähren wird.

Der Gesandte Muchammed, Allahs Segen und Frieden auf ihm, ermahnte einen Beduinen, der die Moschee betreten wollte, ohne sein Kamel vorher anzubinden (um damit zu demonstrieren, dass er auf Allah vertraut), mit den Worten: „Binde es an, dann vollziehe Tawakkul (vertraue auf Allah)!“

Tirmisi

Der Gesandte, Allahs Segen und Frieden auf ihm, erwiderte auf die Frage, ob es erlaubt sei, sich medizinisch behande0ln zu lassen, folgendes: „Sie (die Medizin) ist ein Teil von Al-Qadar.

ibn Qajim

Weiter sagte der Prophet, Allahs Segen und Frieden auf ihm: „Lasst euch medizinisch behandeln! Denn Allah, Der Erhabene und Majestätische, erschuf keine Krankheit, ohne dass ER dafür eine Medizin vorsah, außer einer einzigen Krankheit: das Altern.

Achmed, Tirmisi, Nes’i

Imam ibnul-Dschausi hat den Zusammenhang zwischen diesem Iman und den Ursachen und Wirkungen (Kausalität) wie folgt verdeutlicht:

"Der Tauhid wird ohne das Ergreifen der nötigen Mittel, die Allah vorsah, nicht vollständig. Denn die Nichtinanspruchnahme (dieser Mittel) verletzt das Prinzip dem grenzenloses Vertrauen in Allah mit gleichzeitigem Streben nach Erfüllung Seiner Gebote. Nichtinanspruchnahme (der vorgesehenen Mittel) stellt eine Schwäche dar, die dem Kern des Tawakkul total widerspricht, welche das Vertrauen des Herzens in Allah  bei allen Dingen des Lebens reflektiert, um dem Menschen im Diesseits und im Jenseits das Nützliche zu gewähren und von ihm das Schädliche abzuwenden. Deshalb ist das Ergreifen der nötigen Mittel unabdingbar, sonst wird man die Scharia außer Kraft setzen. Der Mensch soll also weder seine Schwäche dem Tawakkul noch das Tawakkul seiner Schwäche zuschieben."